Steigt die Zahl der Betroffenen?

Grundsätzlich ist es schwierig, dazu konkrete Aussagen zu treffen. Dies liegt vor allem an unserer strengen Haltung gegenüber Datenschutz, wodurch wir wenig Patient:innen-Daten zur Auswertung haben. Langfristige Betrachtungen in verschiedenen anderen (überwiegend europäischen) Ländern zeigen insgesamt eine klare Zunahme von Essstörungen. Vergleichende Zahlen zur Entwicklung von Essstörungen in Deutschland in den letzten 20 Jahren gibt es kaum. Jedoch lassen verschiedene Jahresberichte der namhaften großen Krankenkassen Rückschlüsse zu, dass die Zahlen insbesondere in den letzten Jahren drastisch angestiegen sind. In Großbritannien zum Beispiel hat sich zwischen 2015 und 2020 die Anzahl der im Krankenhaus behandelten Betroffenen verdoppelt.

Seit Beginn der Corona-Pandemie haben Essstörungen, insbesondere die Magersucht (Anorexia nervosa), weltweit zugenommen. Die BZgA berichtet, dass die Zahl der Krankenhausbehandlungen aufgrund von Essstörungen seit 2020 gestiegen ist. Die Datenlage zum Einfluss von COVID-19 auf die Häufigkeit und Schwere von Essstörungen ist in Deutschland noch dürftig. Erste Zahlen zeigen jedoch deutlich mehr Krankenhausbehandlungen aufgrund einer Essstörung bei Kindern, Jugendlichen sowie jungen Männern gegenüber der Zeit vor der Pandemie. Für andere Länder liegen mehr Studiendaten vor. Sie lassen darauf schließen, dass gerade die Anorexia nervosa mit Beginn der Corona-Pandemie weltweit zugenommen hat. Wie sich andere aktuelle Krisen, z. B. der Krieg in der Ukraine, auf die Häufigkeit und den Verlauf von Essstörungen auswirkt, ist bislang noch nicht untersucht.

  • Eine australische Studie stellte fest, dass bei vier von zehn Jugendlichen, die 2020 eine Anorexie entwickelt haben, COVID-19-Einschränkungen eine auslösende Rolle spielten.
  • Auch in Kanada gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen COVID-19 und der Entwicklung von Essstörungen: In Regionen mit hohen Infektionszahlen verdoppelte sich das Auftreten der Anorexie. Während der ersten Corona-Welle erkrankten Betroffene nicht nur schneller, sondern auch schwerer als vor der Pandemie.
  • In Spanien, Frankreich, Italien und Niederlande befragte Fachkliniken kamen zu einem ähnlichen Ergebnis: Von 2019 auf 2020 stieg demnach die Rate an Behandlungen wegen einer Anorexie an. Zudem traten häufiger schwere Krankheitsbilder auf. Vor allem höherer Social-Media-Konsum und ein Gefühl des Kontrollverlusts spielten nach Ansicht der Fachkräfte eine große Rolle für diese Entwicklung.

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Geschichte der Essstörung

1868 hat der englische Arzt William Gull in drei veröffentlichten Fallbeispielen erstmalig über Pubertätsmagersucht geschrieben. Nicht viel später beschrieb der französische Internist Dr. Charles Lasègue 1873 auf Basis von acht Fällen die „Anorexia hysterica“ und grenzte sie durch Hervorhebung der Überaktivität der Erkrankten vom Fasten ab. Sinngemäß beobachtete er, dass ein übermäßiges Drängen gleichwohl ein Übermaß an Widerstand hervorrufe. Die beiden Mediziner waren unabhängig voneinander der Meinung, dass die Krankheit auf psychopathologische Faktoren zurückzuführen sei. Lasègue hat sich im Besonderen für die Interaktionen zwischen der Patientin und ihrer Familie interessiert. Dieser Ansatz, in dem die Betroffene als Teil eines engverwobenen Ganzen angesehen wird, wurde vor erst gar nicht langer Zeit von den Familientherapeuten wieder aufgegriffen.

Auch in der Religion finden sich seit Jahrtausenden immer wieder Hinweise auf sinnstiftende Restriktionen der Nahrungsaufnahme, wie zum Beispiel das Fasten. Dabei spielt der Verzicht auf feste Nahrung eine wesentliche symbolische Rolle. Das selbstbestimmte Vermeiden bestimmter Speisen oder der zeitweise völlige Verzicht auf jede Nahrung ist allein dem Menschen vorbehalten und hat unterschiedlichste Motive und Ziele als Ursache. In den Ordensregeln des Heiligen Augustinus beispielsweise, diente es als Mittel, den eigenen Körper und seine Begierden zu beherrschen.

Im Zuge der Industrialisierung und Globalisierung der letzten hundert Jahre findet sich in allen Wohlstandsnationen ein Überangebot an Lebensmitteln. Trotz – oder gerade wegen – erheblichen Mangels an Nahrung in den Zeiten des ersten und zweiten Weltkrieges ist die Zahl Übergewichtiger in Deutschland so hoch wie nie. Gleichzeitig bildet sich in der Gesellschaft ein schlankes Schönheitsideal heraus, dem sich junge pubertierende Mädchen unter scheinbar wachsendem Gruppenzwang unterwerfen. Die Zahlen wirken alarmierend: 16 Prozent der 11-jährigen und im Altersverlauf stetig ansteigend 49% der 17-jährigen Mädchen haben bereits Diäterfahrungen gesammelt, während sich die Erfahrungen der Jungen bei etwa 8 bis 12% in der gesamten Kindheit auf konstant niedrigerem Niveau bewegt (Stand 2016, neuere Zahlen folgen).

Essstörung – der traurige Spitzenreiter

Da Essstörungen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen gehören, die zum Teil die höchste Morbidität und Mortalität sowie erhebliche körperliche Risikofaktoren aufweisen und mit verhältnismäßig geringen Remissionsraten und einem hohen Chronifizierungsgrad einhergehen sowie die Lebensqualität maßgeblich einschränken, rücken sie immer mehr in den Fokus der Wissenschaft. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Essstörungen aufgrund ihrer Schwere und Komorbiditäten sowie langjähriger Chronifizierung nicht nur mit erheblichem Leidensdruck bei den Betroffenen einhergehen sondern auch mit hohen sozioökonomischen Kosten und erheblichen psychosozialen Problemen verbunden sind. Es bedarf effizienter und vor allem auch langfristig wirksamer Therapieverfahren und deren Weiterentwicklung durch eine enge Kooperation wissenschaftlicher und klinischer Netzwerke.

Die empirische Evidenzlage wird von nahezu allen Autoren wissenschaftlicher Publikationen häufig kritisiert, da die Zahl aussagekräftiger und vergleichbarer Studien zu Therapiewirksamkeit überschaubar gering ist (auch heute noch – im Verhältnis zu anderen psychosomatischen Störungsbildern). Therapiemanuale und Leitfäden sollen die erfolgreiche Behandlung betroffener Patientinnen und Patienten unterstützen. In den seit 2004 bestehenden Richtlinien vom National Institute for Health and Care Excellence (NICE) stehen Therapeuten 75 Empfehlungen zur Verfügung, von denen jedoch nur eine empirisch fundiert ist.

In Deutschland wurden vor wenigen Jahren die S3-Leitlinien veröffentlicht. Ein Großteil der 120 Empfehlungen basiert ebenfalls auf Expertenmeinungen, jedoch ist die zugrundeliegende Studienbasis (randomisiert kontrollierter Studien) schon deutlich umfangreicher. Die Aufmerksamkeit der klinischen Forschung richtet sich dabei nicht nur auf die unterschiedlichen stationären und ambulanten Therapie-Methoden sondern zusätzlich auch möglichen Prädiktoren und Wirkfaktoren einer erfolgreichen Behandlung.

Typische Warnzeichen

Im Folgenden findest du eine Auflistung möglicher auffälliger Verhaltensweisen sowie physische und psychische Anzeichen oder allgemeine Veränderungen, die möglicherweise auf die Entwicklung einer Essstörung hinweisen. Wenn du selbst oder jemand, den du kennst, mehrere der folgenden Symptome ha(s)t, ist es wirklich empfohlen, dass du dir professionelle Hilfe suchst. Einige dieser Warnzeichen sind vor allem für Außenstehende möglicherweise nicht so leicht oder sofort zu erkennen, da Betroffene von Essstörung ja bemüht darum sind, diese zu verbergen. Betroffene selbst neigen dazu, sich Störung „schön zu reden“ bzw. diese zu verharmlosen und stellen vielleicht selbst erst spät fest, dass sie doch keine Kontrolle mehr haben. Zudem kommt oft ein intensives Schuld- und/oder Schamgefühl hinzu. Es ist möglich, dass eine Person mehrere dieser Anzeichen zeigt und dennoch keine Essstörung hat (z. Bsp. Leistungssportler). Es ist immer am besten, sich zusätzlich eine professionelle Meinung einzuholen und die Betroffenen direkt anzusprechen.

typische Verhaltensweisen
  • Konstante oder wiederholte Diäten (z. B. Abwiegen von Lebensmitteln, Kalorien zählen, Ganze oder Teile von Mahlzeiten auslassen, Fasten, Vermeidung bestimmter Lebensmittelgruppen oder -arten wie Fleisch oder Milchprodukte, Ersetzen von Mahlzeiten durch Flüssigkeiten)
  • Hinweise auf Essattacken: z. B. Verschwinden großer Mengen von Lebensmitteln aus dem Schrank oder Kühlschrank, Viele Süßigkeiten-Verpackungen, die gebündelt im Müll erscheinen, Horten von Lebensmitteln in Vorbereitung auf einen Essanfall (die oftmals abends stattfinden)
  • Hinweise auf Erbrechen (Reste im Waschbecken oder der Toilette) oder Missbrauch von Abführmitteln (z. B. häufige Toilettengänge während oder kurz nach den Mahlzeiten)
  • Übermäßige oder zwanghafte Trainingsmuster (z. B. Training trotz Verletzung oder schlechtem Wetter) oder Weigerung, das Training aus irgendeinem Grund (Telefonat o.ä.) zu unterbrechen, rigides Beharren auf einer bestimmten Anzahl von Wiederholungen von Übungen oder der Steigerung der Anzahl 
  • Reizbarkeit, wenn Betroffene nicht trainieren oder sich nicht bewegen können
  • Erstellen von Listen mit „guten“ und „schlechten“ Lebensmitteln
  • Änderungen der Lebensmittelpräferenzen (z. B. Weigerung, bestimmte Lebensmittel zu essen; Behauptung, zuvor beliebte Lebensmittel plötzlich nicht mehr zu mögen)
  • plötzliches Interesse an „gesunder Ernährung“ und viel Beschäftigung damit (Blogs etc.)
  • Entwicklung von Mustern oder obsessiven Ritualen rund um die Zubereitung und das Essen von Speisen (z. B. darauf bestehen, dass Mahlzeiten immer zu einer bestimmten Zeit stattfinden müssen, nur mit einem bestimmten Messer, nur aus einer bestimmten Tasse trinken)
  • Vermeidung aller sozialen Situationen, die mit Lebensmittelkonsum zu tun haben
  • Häufige Vermeidung von Mahlzeiten durch Ausreden (z. B. Behauptung, dass sie bereits gegessen haben oder vorzugeben, plötzlich eine Intoleranz / Allergie gegen bestimmte Lebensmittel zu haben)
  • Verhaltensweisen, die sich auf die Zubereitung und Planung von Speisen konzentrieren nehmen immer mehr zu bzw. verdrängen andere alltägliche Aktivitäten zunehmend (z. B. Einkaufen von Lebensmitteln, Planen, Zubereiten und Kochen von Mahlzeiten für andere, aber nicht selbst Mahlzeiten konsumieren, Kontrolle über die Familienmahlzeiten übernehmen, Kochbücher, Rezepte, Ernährungsleitfäden lesen)
  • Starker Fokus auf die eigene Figur und Körperform sowie das Gewicht (z.B. Interesse an Abnehm-Websites, Diät-Tipps in Büchern und Zeitschriften, Bilder von dünnen Menschen)
  • Entwicklung von sich wiederholenden oder obsessiven Körperkontrollverhaltensweisen „body-checking“ (z. B. Abtasten der Taille oder der Handgelenke, wiederholtes Wiegen, ständiges in den Spiegel schauen)
  • Sozialer Rückzug und/oder Isolation von Freunden und Vermeidung vorher beliebter Aktivitäten
  • Änderung des Kleidungsstils, z. B. das Tragen von weiter/ viel zu großer Kleidung
  • Irrationales Verhalten bezogen auf Lebensmittel; z. B. (heimliches) Wegwerfen von Lebensmitteln, heimliches Essen (oft nur aufgrund vieler Verpackungen im Müll bemerkt) oder Lügen über die Menge oder Art der konsumierten Lebensmittel
  • Sehr langsames essen (z. B. mit Teelöffeln essen, Essen in kleine Stücke schneiden und eines nach dem anderen essen, Essen auf dem Teller sortieren/ besonders arrangieren, Essen verschmieren/ zerstören)
  • Kontinuierliche Leugnung des Hungers
typische physische Auffälligkeiten
  • Plötzlicher oder schneller Gewichtsverlust (500g / Woche und mehr)
  • Häufige Gewichtsveränderungen (Schwankungen)
  • Wassereinlagerungen in den Beinen
  • Kälteempfindlichkeit (häufiges Kältegefühl, auch in warmen Umgebungen)
  • Verlust oder Störung der Menstruation
  • Anzeichen von häufigem Erbrechen – geschwollene Wangen oder Kieferlinie, Schwielen an den Knöcheln, Schäden an den Zähnen, errötete Haut um den Mund herum
  • Ohnmacht, Schwindel, Schwächeanfälle
  • Müdigkeit bzw. sich immer müde fühlen, nicht in der Lage sein, normale/ alltägliche Aktivitäten auszuführen
typische psychische/ seelische Auffälligkeiten
  • Erhöhte Beschäftigung mit den Themenfeldern Figur, Essen, Gewicht und Aussehen
  • Intensive Angst vor Gewichtszunahme (und ständiges Thematisieren dieser)
  • Ständige Beschäftigung mit Lebensmitteln oder mit Tätigkeiten im Zusammenhang mit Lebensmitteln
  • Extreme Körperunzufriedenheit / negatives Körperbild
  • Verzerrtes Körperbild (z. B. sich darüber beschweren, fett zu sein, sich zu fühlen oder auszusehen, trotz tatsächlich gesundem Gewicht)
  • Erhöhte Sensibilität für Kommentare oder Kritik an der eigenen Figur oder Gewicht, Ess- oder Bewegungsgewohnheiten
  • Erhöhte Angst vor den Essenszeiten
  • Depression oder Angst
  • Launenhaftigkeit oder Reizbarkeit
  • Selbstbeschädigende/ impulsive Verhaltensweisen
  • Geringes Selbstwertgefühl (z.B. Wertlosigkeit, Schamgefühle, Schuld oder Selbsthass)
  • Starres „Schwarz-Weiß“-Denken (alles entweder als „gut“ oder „schlecht“ zu betrachten)
  • Sorge, nicht in der Lage zu sein, Verhaltensweisen rund um das Essen zu kontrollieren

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unglückliche Frauen mit psychischen Störungen, psychiatrischen Beeinträchtigungen, emotionalen Problemen

Spezifischere Hinweise bezüglich auffälliger Warnsignale findest du auf der jeweiligen Info-Seite

Essstörung A – Z

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