Weiblicher Narzissmus

Unter Narzissmus versteht man, nach der klassischen Definition von Moore und Fine (Dammann 2012) eine Konzentration des seelischen Interesses auf das eigene Selbst. Aus dieser Definition wird ersichtlich, dass wir es also mit einem Spektrum zu tun haben, das von normalem, angemessenen Narzissmus bis hin zu schweren narzisstischen Störungen reichen kann. Wenn die narzisstische Problematik überwiegt, wie
beispielsweise bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung, dann dominieren die Beschäftigung mit dem eigenen Selbst und dem Selbstwert, die Beziehungen zu anderen Menschen und die Interaktion mit diesen – und es kommt zum Beispiel zu ständigen Vergleichen mit anderen, dem Bedürfnis nach Bestätigung oder Neid (Dammann, Sammet und Grimmer 2012).

Im umgangssprachlichen Gebrauch versteht man unter Narzissmus Eigenliebe, Überhöhung des Selbstwerts und Ichsucht. In den psychologischen Beschreibungen wird meist noch auf die starke Empfindlichkeit, welche Ausdruck des fragilen Selbstwertes sei, verwiesen. Tatsächlich ist das Wesen der Narzissmus deutlich komplexer und enthält neben Egoismus und ständigem Eigenbezug noch zwei weitere wesentliche Elemente: die
hochgradige Empfindlichkeit oder Kränkbarkeit und den Mangel an Einfühlungsvermögen.

Schwankendes Selbstwertgefühl

Entgegen der landläufigen Meinung fühlen sich pathologische Narzissten nicht einfach besonders wertvoll. Stattdessen schwankt ihr Selbstwertgefühl je nach Situation stark und hängt mehr als üblich von der Anerkennung durch andere ab. Häufig begeben sich Betroffene erst in Behandlung, wenn sie in eine schwere Krise geraten und das sorgfältig aufgebaute Kartenhaus zusammenbricht, etwa nach Misserfolgen, einer Trennung oder einer Kündigung. Die psychischen Folgen gehen mitunter bis hin zu Suizidgedanken.

Entstehungsbedingungen des weiblichen Narzissmus

Entstehungsbedingungen für weiblichen Narzissmus

Verlassen werden
Trennungserfahrungen in frühen Kindheitsphasen
seelische Vernachlässigungen
Qualität der Beziehung zwischen Kind und Eltern
Vermischung, Verwechslung und Nicht- Beachtung von emotionalen und körperlichenBedürfnissen
Extreme Erziehung zum Gehorsam mit wenig Möglichkeit zur Kritik/Infragestellung und Neugier
Geringe Annahme des eigenen Körpers, geringes Körpergefühl
Verlust von oder fehlende Bezugspersonen
die sichere vs. unsichere Bindung und Autonomiezugeständnisse an die Kinder
diffuse Geschlechterentwicklung
symbiotische Regeln wie „Mir geht es nur gut, wenn es dir gut geht“
Delegation von Leistung, Prestige und Erfolg
Lustfeindlichkeit und Tugendhaftigkeit
Missbrauch

Auffällig beim weiblichen Narzissmus ist, dass er nach außen gar nicht wie Narzissmus erscheint, der sich ja oft in einer arroganten Selbstbezogenheit und grandiosen Überheblichkeit äußert. Aus diesem Grunde spricht man beim weiblichen Narzissmus auch vom verdeckten im Gegensatz zum offenen Narzissmus. Beide Formen sind aus der existenziellen Not der emotionalen Verlassenheit geboren, doch die Erscheinungsformen unterscheiden sich signifikant. Emotionale Verlassenheit bedeutet, dass niemand da war, der unterstützte, spiegelte und verstand, was für das Kind existenziell notwendig gewesen wäre.

Frauen, so zeigt die Forschung, neigen eher zu diesem vulnerablen Narzissmus. »Sowohl ein niedriger Selbstwert als auch überhöhte Vorstellungen von der eigenen Person sind mit Problemen im zwischenmenschlichen Bereich verbunden«, weiß die Persönlichkeitspsychologin Astrid Schütz von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Obgleich die Unterschiede insgesamt sehr gering sind, hätten Frauen öfter einen geringen Selbstwert, der zudem öfter von äußeren Einflüssen abhänge. »Das heißt, sie sind häufiger mal auf ein Schulterklopfen angewiesen, um sich wohlzufühlen«, ergänzt Katharina Geukes, die sich an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster mit Fragen der Persönlichkeit beschäftigt. Forscher um die Psychologin Emily Grijalva, damals an der University of Buffalo, analysierten 2015 mehr als 300 Studien zu Narzissmus bei Männern und Frauen. Das Resultat: Männer erreichen insgesamt höhere Narzissmus-Werte. Sie neigen vor allem stärker zu ausbeuterischem Verhalten, zu Autoritätsanspruch und Führungsdenken. Im Hang zur Selbstdarstellung haben sie einen weniger großen Vorsprung, im vulnerablen Narzissmus ziehen Frauen gleich.

Geschlechterklischees bei der Diagnose

An der Ähnlichkeit dieser beiden Krankheitsbilder sieht man, wie schwierig eine trennscharfe Zuordnung zu einer bestimmten Persönlichkeitsstörung ist. Daher kann es leicht passieren, dass Behandler sich bei der Diagnosefindung vom Geschlecht des Patienten leiten lassen: Der typische Narzisst ist ein Mann, die Histrionikerin und Borderlinerin ist eine Frau. Letztere Persönlichkeitsstörung äußert sich typischerweise in starken Schwankungen im Sozialverhalten, in der Stimmung und Selbstwahrnehmung, die sowohl für die Person selbst als auch für ihre soziale Umgebung belastend sind. Borderline galt lange Zeit als weibliches Phänomen. »In der Tat erhalten mehr Frauen die Diagnose – allerdings zeigen neuere Studien, dass Borderline bei Männern in annähernd gleichem Maß auftritt. Dass betroffene Männer sich seltener in Behandlung begeben, hängt wahrscheinlich mit geschlechtstypischen Rollenerwartungen zusammen«, sagt Astrid Schütz.

Ein Team von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster um Michael Grosz und Mitja Back hat noch eine weitere Eigenart des weiblichen Narzissmus entdeckt. Es entwickelte einen Fragebogen, der verschiedene Facetten der Eigenschaft besonders genau misst und unter anderem erhebt, in welchen Lebensbereichen sie zum Tragen kommen. Frühere Studien hatten gezeigt, dass sich zwei Aspekte unterscheiden lassen: die Selbstaufwertung und die Abwertung anderer. Die Münsteraner Verhaltenswissenschaftler erhoben diese beiden für Intelligenz (»Ich bin ein Genie« versus »Die meisten Leute sind dumm«), Attraktivität (»Ich bin sehr gut aussehend« versus »Die meisten Leute sind nicht sehr attraktiv«), soziale Dominanz (»Ich bin sehr durchsetzungsstark« versus »Die meisten Leute sind Schwächlinge«), soziales Engagement (»Ich bin außerordentlich hilfsbereit« versus »Die meisten Leute sind rücksichtslose Egoisten«) und eine neutrale Kategorie (»Ich bin großartig« versus »Die meisten Leute sind Verlierer«).

Da zunehmend Studien darauf hinweisen, dass Narzissmus erblich bedingt sein kann, steht also auch die Beziehung zur Kindsmutter im Fokus.

Was zeichnet eine narzisstische Mutter aus?

  • Empathielosigkeit

    Du kennst wenig bis keine Zärtlichkeiten seitens deiner Mutter. Ihre Gegenwart fühlt sich kalt an, eurer Beziehung fehlt es an Wärme. Deine narzisstische Mutter ist nicht fähig oder willens, sich in deine Lage zu versetzen.

  • Egozentrismus

    Die Welt deiner Mutter dreht sich nur um sie selbst. Alles existiert nur in Bezug auf sie. Selbst wenn du dich ihr mit deinen Problemen anvertraust, biegt deine narzisstische Mutter das Gespräch in kurzer Zeit so um, dass es am Ende doch wieder um sie und ihre „Probleme“ geht.

  • Empfindsamkeit

    Deine narzisstische Mutter ist extrem leicht kränkbar und fühlt sich sehr schnell angegriffen. Nimmt sie dir etwas übel, kann sie es dir für sehr lange Zeit nachtragen und dich beispielsweise einer Schweigebehandlung unterziehen. Sie ist absolut nicht in der Lage, mit Kritik umzugehen.

  • Eigensucht

    Deine narzisstische Mutter ist fasziniert von sich selbst. Sie interessiert sich nicht nur ausschließlich für sich selbst (obwohl sie gut schauspielern kann, wenn es ihren Bedürfnissen dient), die ist regelrecht süchtig nach sich selbst. Auf einem Gruppenfoto nimmt sie ausschließlich sich selbst wahr, andere interessieren sie nur insofern wie sie ihr dienen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen und ihr Aufmerksamkeit zu schenken.

  • Entwertung

    Die Entwertung der eigenen Kinder (und anderer) ist eines der typischsten Merkmale einer narzisstischen Mutter. Um selbst besser dazustehen und sich überlegen zu fühlen, entwertet sie dich bei jeder Gelegenheit. Deine Niederlagen bauscht sie auf, deine Erfolge redet sie klein oder schreibt sie sich selbst und ihrer guten Erziehung zu. Sie erträgt es nicht, wenn andere neben ihr glänzen.

  • Neid

    Der Neid auf das eigene Kind ist ebenso typisch für narzisstische Mütter. Sie erträgt es nicht, wenn du etwas Schönes erlebst oder einen Erfolg erzielst. Besonders schlimm ist es für sie, wenn du als ihre Tochter hübscher wirst, als sie selbst. Dann kann es passieren, dass sie in Konkurrenz zu dir tritt. Sie wertet dich noch mehr ab oder flirtet vor deinen Augen und für alle offensichtlich mit deinem Freund, was zu bizarren Situationen führen kann.

  • Drama

    Wenn sie nicht weiter weiß, inszeniert eine narzisstische Mutter gerne Drama. Sie übertreibt maßlos, beschuldigt andere, bekommt einen hysterischen Anfall oder zieht anderweitig die Aufmerksamkeit auf sich. Hier kann sie große Ähnlichkeiten mit einem Menschen mit histrionischer Persönlichkeitsstörung aufweisen. Sie stellt sich selbst als Opfer dar und versucht so, die Situation in ihrem Sinne zu kontrollieren.

  • Kontrollwahn

    Narzissten müssen alles in ihrem Umfeld kontrollieren. Eine narzisstische Mutter ist da keine Ausnahme. Das kann verschiedenste Züge annehmen. Manche Mütter fordern von ihren Kindern detailgenaue Berichte über deren Leben, andere zwingen ihre Minderjährigen Kinder, einen GPS-Tracker zu tragen, um jederzeit ihren Standort überwachen zu können (natürlich zum Wohl des Kindes). Gleiches gilt für Situationen. Hat eine narzisstische Mutter das Gefühl, dass ihr die Aufmerksamkeit ihres Umfeldes entgleitet, nutzt sie verschiedene taktische Manöver, um wieder im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen.

  • Spiegelung

    Narzissten spiegeln die Wünsche, Interessen und Eigenschaften anderer, um so sympathischer zu erscheinen und schnell eine Verbindung zum anderen aufzubauen. Natürlich ist das nicht echt und die narzisstische Mutter interessiert sich nicht wirklich für die Themen, für die sie im Zusammensein mit neuen Personen, deren Aufmerksamkeit sie für sich gewinnen will, vorgibt sich zu interessieren. Es ist eine Taktik. Die eigenen Kinder wird die narzisstische Mutter hingegen eher selten spiegeln. Hier hat sie es schlichtweg nicht nötig, da ihre Kinder ohnehin an sie gebunden sind und ihre anderen Manipulationstechniken hier meist bessere Ergebnisse erzielen. Dennoch kann sie dich spiegeln, wenn sie einmal mit ihren anderen Manövern nicht weiterkommt.

  • Schuldgefühle

    Das Erzeugen von Schuldgefühlen ist eine bevorzugte Masche bei narzisstischen Müttern. Sie wird keine Gelegenheit auslassen, um dich so in eine abhängige Position von sich zu bringen, um dich besser kontrollieren und steuern zu können. Dazu wird sie dir ständig vorhalten, was sie alles für dich getan oder geopfert hat und dich als undankbares Kind darstellen, wenn du nicht ihren Erwartungen nachkommen willst.

  • Umetikettierung von Eigeninteressen

    Typisch für narzisstische Mütter ist es, auch nur die kleinsten Anzeichen von Eigeninteressen bei ihren Kindern als egoistisch, undankbar und selbstsüchtig umzuetikettieren. So versucht sie dich vollständig zu ihrer Marionette zu machen und nach ihrem Bilde zu formen. Als Kind einer solchen narzisstischen Mutter hast du später im Leben oft Probleme zu unterscheiden, ob du wirklich egoistisch bist, sobald du ein eigenes Bedürfnis anmeldest. In so einem familiären Milieu entstehen bei den Kindern typische co-narzisstische Prägungen, die dazu führen, dass die Kinder ihren eigenen Wert in erster Linie darüber definieren, wie angenehm und nützlich sie für andere sind. Was das für spätere eigene Beziehungen bedeutet und warum man mit diesen Prägungen nur allzu leicht später in die Arme narzisstisch geprägter Partner gerät, kannst du dir sicher denken.

  • Verfügbarkeit der Kinder

    Wenn du mit einer narzisstischen Mutter aufgewachsen bist, dann kennst du es vermutlich, dass deine Mutter zu jeder Zeit von dir erwartet hat, dass du für sie verfügbar bist und zwar unabhängig davon, wo du gerade bist, mit wem und was du machst. Bei vielen narzisstischen Müttern ändert sich an dieser Erwartungshaltung auch nicht viel, wenn die eigenen Kinder schließlich erwachsen sind, denn für sie existieren ihre Kinder nur als natürliche Verlängerung ihrer Selbst.

  • Verdrehungen und Missverständnisse

    Eine narzisstische Mutter ist sehr gut darin, Dinge absichtlich falsch zu verstehen oder das, was du gesagt hast, zu  verdrehen oder vollkommen anders zu interpretieren, als du es gemeint und rübergebracht hast. Hierzu gehört auch das Vergessen von Dingen, die sie einmal gesagt oder getan hat. Alles, was ihre Position schwächen wird, wird auf diese Weise verzerrt. So dominiert sie jedes Gespräch und bringt dich schnell in eine Rechtfertigungsposition, in der du dich für Dinge entschuldigen sollst, die du so nie gesagt geschweige denn gemeint hast.

  • Grenzüberschreitung

    Narzisstische Mütter kennen und akzeptieren keine Grenzen. Erst recht nicht die, ihrer eigenen Kinder. So mischt sie sich in dein ganzes Leben ein, gibt dir vor, was du zu denken, fühlen und tun hast. Sie hilft dir ungefragt und erwartet hinterher Dank dafür. Schließlich meint sie es ja nur gut. Und wehe, der Dank bleibt aus. Auch dies ist eine Methode, um dich und dein Verhalten zu kontrollieren.

  • Entwertende Vergleiche

    Um dich herunterzumachen, vergleicht sie dich permanent mit anderen Kindern. Natürlich nicht mit denen, die in etwas schlechter sind, als du. Im Gegenteil. Sie will dir zeigen, wie „unwürdig“ du bist, indem sie dir permanent die Erfolge anderer Kinder hervorzuheben und deine Fehler auch in Gegenwart anderer hervorzugehen.

  • Schlecht machen vor anderen

    Narzisstische Mütter beschämen ihre Kinder, indem sie vor Dritten und oft im Beisein des Kindes über dessen peinlichste Momente reden und sich über ihr eigenes Kind lustig machen. Viele betroffene Kinder entwickeln darauf starke Schamgefühle, verbunden mit dem Gefühl, nicht richtig oder peinlich zu sein.

  • Überhebliches Gebaren

    Je nachdem, welcher Narzissmus-Typ bei deiner Mutter vorherrscht, kann sie sich mitunter sehr überheblich verhalten und andere von oben herab behandeln. Das zeigt sich nicht nur in völlig unpassenden Kommentaren oder respektlosen Gesten sondern wird oft auch nonverbal durch abschätzige Blicke oder zeigen der berühmten kalten Schulter demonstriert.

  • Auf eine Stufe mit dem Kind stellen

    Für die narzisstische Mutter existieren weder Grenzen noch Altersunterschiede. Sie meint, sie dürfe alles tun, was ihr Kind auch tun darf.

  • Geltungsdrang

    Eine narzisstische Mutter muss um jeden Preis der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit sein. Ihr Verhalten hat häufig etwas Unechtes und Überzogenes. Es ist mittelbar. Das bedeutet, es dient einem Zweck und ist nicht authentisch. Um ihr Ziel, im Mittelpunkt zu stehen zu erreichen, intrigiert sie, lacht laut, erzählt schmutzige Witze, provoziert, macht Vorwürfe, oder inszeniert sich auf andere Weise. Viele narzisstische Mütter sind sehr geschickt darin, die rote Knöpfe der Menschen in ihrem Umfeld zu drücken, sodass ihnen deren Aufmerksamkeit gewiss ist.

  • Rumpfuschen in den Beziehungen der Kinder

    Narzisstische Mütter triangulieren. Sie mischen sich in die Beziehungen ihrer Kinder ein. Das betrifft Freundschaften wie Partnerschaften gleichermaßen. Egal, ob sie mit dem Freund der Tochter flirtet, versucht, ihr ihre beste Freundin schlecht zu reden oder sich selbst mit den Freundinnen der Tochter anzufreunden, sie mischt sich ein. Das tut sie einerseits aus dem Wunsch heraus, in den Augen der anderen als die Bessere dazustehen, andererseits um auch die Beziehungen ihrer Tochter zu kontrollieren. Häufig entwerten narzisstische Mütter auch ihre Kinder vor deren Freunden und hacken bewusst auf ihren Schwächen rum. Sind die Kinder noch jünger, kann es ebenso vorkommen, dass die narzisstische Mutter ihr den Umgang mit bestimmten Freunden oder Freundinnen verbietet. Meist sind es natürlich diejenigen, die dem Kind am meisten bedeuten.

  • Konkurrenzdenken

    Besonders Töchter narzisstischer Mütter haben es schwer. Spätestens ab der Pubertät fühlt sich die Mutter in Konkurrenz zu ihrer Tochter und buhlt auf teilweise groteske Art mit ihr darum, wer von beiden die „Bessere“ ist. Das kann sich zum Beispiel darin äußern, dass sie sich bewusst jugendlich verhält oder anzieht, mit den Freunden der Tochter flirtet oder sich Hobbys zulegt, die nicht zu ihrem Alter passen, ihrer Tochter aber wichtig sind. Die narzisstische Mutter versucht ihre Tochter in allem zu schlagen. Schafft sie es nicht, wird sie ihr böse.

  • Ausbeutung der Kinder

    Narzisstische Mütter benutzen ihre Kinder zur Erfüllung eigener Interessen. Egal, ob sie sich die Erfolge der Kinder als eigene anrechnen („War doch klar, dass mein Kind so erfolgreich ist, bei der Mutter!“) oder sie vorschieben, um von ihrem Ex mehr Geld herauszuschlagen. Manchmal soll das Kind auch aktiv Dinge für die Mutter tun, die nicht kindgerecht sind und nur der Mutter dienen. In einem mir bekannten Fall wurde das noch nicht straffähige Kind von der narzisstischen Mutter wiederholt dazu angeleitet, die Dinge im Laden für sie zu stehlen, die sie unbedingt haben wollte.

  • Beziehungen der Kinder kaputt machen

    Hierzu zählen nicht nur die Freundschaften zwischen den Kindern der narzisstischen Mutter und deren Peers. Vor allem gehören in diese Kategorie die Beziehungen der Familienmitglieder untereinander. So ist es besonders bezeichnend für narzisstische Mütter, einen Keil zwischen die Geschwister zu treiben. Hier gibt es für sie meist das gute und das böse Kind. Von dieser zerstörten Beziehung erholen sich viele Geschwister ein Leben lang nicht, sodass ihr Verhältnis zur Schwester oder zum Bruder dauerhaft belastet bleibt.

  • Lügen

    Das Lügen ist absolut typisch für Narzissten. Sie verdrehen die Wahrheit immer so, dass sie zu ihren Bedürfnissen passt. Narzisstische Mütter sind da keine Ausnahme. Zum Lügen gehört auch das aktive Verschweigen wichtiger Informationen, die eine Sache in einem anderen Licht erscheinen lassen würden. Lügen werden von der narzisstischen Mutter auf vielfältige Weise und zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt. Beispielsweise um Beziehungen zu zerstören, die ihr lästig sind oder bei denen sie einen Verlust ihres Einflusses auf ihr Kind befürchtet. Dann erzählt sie dem einen Part, was der andere angeblich hinter seinem Rücken getan oder gesagt hat und schon herrscht Zwietracht.

  • Leugnen

    Versuchst du, deine narzisstische Mutter mit etwas zu konfrontieren, das sie gesagt oder getan hat, wird sie es immer leugnen oder dir weismachen wollen, dass du dir das nur eingebildet oder völlig falsch verstanden hast. Sodann wird sie dir deine Kritik übel nehmen und versuchen, sie dir heimzuzahlen und sie auf dich zurückzuwerfen. Vielleicht entwertet sie dich, macht sich selbst zum Opfer und versteht nicht, wie sie so eine undankbare Tochter haben kann oder sie unterzieht dich einer wochenlangen Schweigebehandlung, damit du ja nie wieder auf die Idee kommst, sie mit ihrem eigenen Verhalten zu konfrontieren.

Nazistische Mütter agieren lieblos, teilweise sogar brutal. Kinder, die Trost suchen, hören von der Mutter regelmäßig scharftonige Sätze wie „stell dich nicht so an“ oder „reiß dich mal zusammen“. Es gibt keinen Trost und keine Umarmungen. Statt „ich hab dich lieb“ hören sie „mit dir hält es sowieso niemand aus“. Das Verhalten der Mütter ist empathielos. Fehlendes Mitgefühl ist eine der Hauptmerkmale von Narzissmus. Denn narzisstische Mütter müssten dafür in Resonanz mit den eigenen Gefühlen gehen, was sie aufgrund ihrer eigenen Verletzungen nicht können.

Ein weiteres Anzeichen für eine narzisstische Dynamik besteht in der Umkehr der Beziehung. Narzisstische Mütter lassen sich oft von ihren Töchtern versorgen, während die Versorgung der Kinder vernachlässigt wird. Zur Aufrechterhaltung ihres überzogenen Selbstbildes konkurrieren narzisstische Mütter sogar mit ihren Töchtern, eines der schwierigsten Themen für Töchter, die sich in ihrer Weiblichkeit entwickeln wollen. Narzisstische Mütter werten entweder einen Partner der Tochter ab oder flirten selbst mit ihm. Als Teenager, eine Zeit der Annäherung an das Abenteuer der Liebe, kann man dieses Verhalten der Mutter überhaupt nicht einordnen. Etwas stimmt nicht, aber man weiß nicht was es ist. Als erwachsene Tochter erkennt man diese Mechanismen besser, sie wirken aber weiter verstörend. Auch Neid als Schwester der Konkurrenz ist ein stark ausgeprägtes Symptom von Narzissten. Wenn die Tochter zu Lasten der Mutter im Mittelpunkt steht, dann wird es passieren, dass die narzisstische Mutter sich die Aufmerksamkeit durch Zerstörung der Situation zurückholt.

Die narzisstische Mutter untergräbt die Identität der Tochter!

Die verschlingende vs. die ignorierende Mutter

Bezogen auf Mütter gibt es für die Psychologin und Psychotherapeutin Bärbel Wardetzki (Narzissmus Expertin) zwei Typen von Narzissmus: die verschlingende und die ignorierende Mutter. Die verschlingende Mutter schreibt ihrem Kind alles vor und lässt ihm keinen Raum. Die ignorierende Mutter vernachlässigt das Kind. „Beide Formen führen dazu, dass das Kind sich nicht gesehen, gespiegelt und verstanden fühlt und somit immer das Gefühl hat, falsch oder schlecht zu sein“, erklärt die Psychologin. In der Folge können sich Selbstentwicklung und Selbstwertgefühl nicht richtig entwickeln. Betroffene versuchen deshalb ihr Leben lang, ein bestimmtes Bild von sich zu präsentieren, damit sie gemocht werden. „Wichtig ist aber auch, zu verstehen, dass sich auch die Mütter in seelischer Not befinden und ihr Verhalten keine Böswilligkeit darstellt“, ergänzt Wardetzki.

Die verschlingende Mutter tarnt sich als Super-Mutter

Eine verschlingende Mutter sieht nach außen meist aus wie die absolute Super-Mutter, die immer für das Kind da ist. In Wirklichkeit ist sie aber dominant und permanent kontrollierend in allen Bereichen. Dadurch nimmt sie dem Kind den Raum zur individuellen Entwicklung. „Sie übt eine bestimmte Form von Macht aus, weil sie ihr Kind zu einem Teil ihrer selbst macht. Narzissten neigen dazu, andere Menschen als Erweiterung der eigenen Person zu sehen, weil sie selbst innerlich leer sind. Damit das funktioniert, muss sich das Kind in einer bestimmten Art und Weise verhalten“, erklärt Wardetzki. Diese Vereinnahmung kann sich bis ins fortgeschrittene Erwachsenenalter ziehen. Oft funktioniert das über Schuldgefühle, etwa wenn die älter gewordene Mutter sich beschwert, dass das Kind sich zu wenig um sie kümmert oder sie zu selten besucht.

Die ignorierende Mutter ist emotional nicht für das Kind verfügbar

Auf der anderen Seite steht die ignorierende Mutter. Sie gibt wenig Führung und Unterstützung und zeigt wenig Empathie ihrem Kind gegenüber. Zuweilen fühlt sie sich durch das Kind belästigt und wertet es ab. Sie kann dessen Emotionen nicht spiegeln und ist über Grundbedürfnisse wie Nahrung und Kleidung hinaus nicht für das Kind da. „In der Folge wird sich das Kind bei Problemen nicht an die Mutter wenden, weil diese emotional nicht verfügbar ist. Diese Mütter brauchen ein Kind, das so ist, wie sie es haben wollen, am besten ohne eigene Emotionen“, erklärt Wardetzki. Und weiter: „Kinder brauchen aber jemanden, der ihre Bedürfnisse erkennt und für sie sorgt. Wenn sie das Gefühl haben, dass sie eher umgekehrt für die Mutter sorgen müssen und viel für Zuwendung und Aufmerksamkeit tun müssen, ist das emotionale Vernachlässigung. Das Kind kümmert sich am Ende mehr um die Emotionen der Mutter als umgekehrt.“

Beide Formen führen zu einer Enttäuschung des Kindes. Die verschlingende und die ignorierende Mutter treten selten in Reinform auf, meist handelt es sich um Mischformen – die dann für die Kinder noch verwirrender sind. Beide Typen eint ein Verlust an Mütterlichkeit. Zudem liegt in beiden Fällen eine Enttäuschung des Kindes vor, entweder durch Verwöhnung oder durch mangelnde Umsorgung. „Beides führt dazu, dass die Kinder frustriert und zutiefst gekränkt sind in ihrem Sein, weil sie sich nicht angenommen fühlen“, erklärt Wardetzki.
Für betroffene Kinder ist es sehr schwierig, sich zu befreien. Betroffene Kinder haben Wardetzki zufolge kaum eine Chance, sich aus diesem System zu befreien. Sie halten dieses Verhalten für normal und sind zudem auf die Eltern angewiesen. Wardetzki: „Leiden tun sie natürlich trotzdem. Meist äußert sich das in Verhaltensauffälligkeiten oder in einer übergroßen Verhaltensanpassung und Schüchternheit. Selbst als Erwachsene ist es alleine unheimlich schwierig, aus diesen Mustern herauszukommen. Ich würde deshalb in vielen Fällen eine Therapie zur Unterstützung empfehlen.“

weiblicher Narzissmus „im Alltag“

Durch die permanente Manipulation und Entwertung, gelingt es den meisten Töchtern einer narzisstischen Mutter nicht, eine eigenständige Identität zu entwickeln. Die Tochter lernt von früh auf, dass sie nichts wert ist und alles tun muss, um den Erwartungen anderer zu entsprechen und für ihre bedingungslose Anpassung an die Vorstellungen anderer vielleicht wenigstens ein bisschen Zuwendung zu bekommen.

Das Selbstwertempfinden von Frauen, die mit einer narzisstischen Mutter aufwachsen mussten, hat häufig schweren Schaden genommen. Sie verstehen vielleicht kognitiv, dass sie genauso viel wert sind, wie andere (explizites Selbstwertempfinden). Doch durch die permanenten Entwertungen und die regelmäßige emotionale Erpressung können sie es nicht fühlen (implizites Selbstwertempfinden). Die Tochter einer narzisstischen Mutter trägt die Frage „Bin ich gut genug? Bin ich liebenswert?“ in jede spätere Beziehung hinein.

Denn sie hat ihre gesamte Kindheit alles versucht, um es der Mutter recht zu machen und ihren Ansprüchen zu genügen und konnte sie doch nicht erfüllen. Falls es dir genauso ergeht: Du konntest nichts dafür. Niemand hätte das gekonnt. Es gehört zum perfiden Spiel einer narzisstischen Mutter, dass sie dir signalisiert: „Du bist nie gut genug„. Du hattest keine Chance. Die Kinder werden abhängig gehalten und mit subtilen Schuldgefühlen überhäuft. „Guck mal was ich alles für dich getan habe“.

Frauen mit einer weiblich-narzisstischen Struktur haben je nach Ausprägung eine eingeschränkte Bindungsfähigkeit. Ihre Bindungserfahrungen beruhen auf toxischen Beziehungsstrukturen. In ihrer kindlichen Entwicklung wurden ihre Autonomiebestrebungen unterdrückt, sie wurden emotional abhängig gehalten. Ihre Bindungserfahrung beruht auf einer völligen Selbstaufgabe und Unterdrückung ihrer Bedürfnisse. Sie identifizieren sich noch im Erwachsenenalter mit der Machtlosigkeit, die sie als Kinder erfahren haben. Ihr Beziehungsverhalten ist daher abweisend, anklammernd oder ambivalent zwischen diesen Polen. Gleichzeitig ist es hoch manipulativ und ausnutzend. Denn ihr Interesse gilt der Selbstaufopferung gegenüber ihrem Beziehungspartner, um dafür die Anerkennung (fehlgedeutet als Liebe) zu bekommen. Gleichzeitig kommt es auch beim weiblichen Narzissmus zu Abwertungsstrategien, wie sie für den grandiosen Narzissten typisch sind.

Betroffene mit weiblich-narzisstischen Strukturen begleitet eine Sehnsucht nach Bindung gepaart mit einer unerträglichen Trennungsangst. Panische Verlassensheitsgefühle bis hin zu Todesangst sind kennzeichnend. Es fühle sich an wie ein riesiges schwarzes Loch in das ich hineinfalle, beschrieb es eine Klientin.  Diese alte kindliche Wunde ist von unaufhaltbarem Schmerz begleitet. Solche existenziellen Ängste deuten auf sehr frühe bedrohliche Bindungserfahrungen.

Im weiblichen Narzissmus werden eigene Autonomiebestrebungen unterdrückt. Auch das Gegenüber wird symbiotisch einverzuleiben versucht. Eine Klientin sagte: „Wenn er mich wirklich lieben würde, dann würde er nicht mit seine Freunden weggehen“. Jede Form des Weggehens wird als große Bedrohung der Beziehung erfahren. Oft wird es von den Frauen  als „Eifersucht“ beschrieben. Es ist aber eher die generelle panische Angst vor dem Verlassenwerden. Wenn die unterdrückten Gefühle ausbrechen, dann sind es heftige unkontrollierte kindliche Gefühle. Wut, Verzweiflung, Todesangst gepaart mit Schreien und Weinen.

Töchter narzisstischer Mütter

Töchter narzisstischer Mütter lernen sehr schnell, ihre eigenen Gefühle zu unterdrücken und richten sich stattdessen nach den Befindlichkeiten der Mutter. Es gibt für narzisstische Töchter keine Möglichkeit der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit, sie agieren wie ein ferngesteuertes Spielzeug, wie eine Marionette. Sie funktionieren so gut wie möglich, in der Hoffnung auf diese Weise der Ablehnung der Mutter zu entgehen. Aber sie werden die Anerkennung der Mutter niemals erreichen können. Die Tochter lernt, ihren eigenen Gefühlen und Fähigkeiten nicht mehr zu vertrauen. Das ist ein schleichender, toxischer Prozess.

Solange die Tochter sich dem Wunschbild der Mutter entsprechend verhält, kann es durchaus auch wohlwollende Botschaften geben. Abweichungen der Tochter vom erwünschten Verhalten werden dagegen bestraft, wie etwa mit Zuwendungsentzug. Diese unkalkulierbaren Ambivalenzen führen zu einer großen Unsicherheit bei den Töchtern.

Als Kind einer narzisstischen Mutter fühlen sich die Betroffenen dressiert und abgerichtet. Sie verspüren große Angst und Unsicherheit. Es gibt auch Mütter, die körperlich gewalttätig werden. So lernt das Kind die eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken und sich mit ganz feinen Antennen auf die Stimmung der Mutter auszurichten. Denn oft reicht schon ein Augenschlag, um zu erkennen, dass Mutters Stimmung sich ungünstig verändert hat. Die Botschaften werden subtil gesendet, sie wirken wie ein geheimer Code. Die Dynamik von Manipulation, Abwertung und Bewertung ist von außen oft nicht sichtbar. Das Verhalten der Mutter ist passiv-aggressiv, so dass sie jederzeit abstreiten kann, so etwas gesagt bzw. so gemeint zu haben. Konstruktiver Streit, Kritik und Diskussionen sind ein Tabu. Tauchen sie auf, werden die Impulse im Keim erstickt. Denn die Mutter hat immer Recht. Für Narzissten ist es kaum auszuhalten, kritisiert zu werden. Ein Kind stellt sich sensibel auf die oft verdeckten Forderungen der Mutter ein, spürt, was sie will und braucht. Zu diesen subtilen Botschaften gehören auch Bewertungen durch Vergleiche zu anderen. Kinder koppeln sich von ihren Gefühlen ab und lernen, die sehr feinen Stimmungen und Subtöne wahrzunehmen.

Eine große Stärke von Töchtern, die unter narzisstische Mütter aufgewachsen sind, liegt darin, dass sie sehr genau wahrnehmen können, Schwingungen, Stimmungen, Tabus, das Unausgesprochene. Darauf wurden die Töchter trainiert, um der Mutter „keinen Kummer zu bereiten“, um ihren Zorn nicht zu entfachen. Und diese Gabe, hat die Tochter sie erkannt, kann sie auch für sich selbst, für die Selbstheilung nutzen. Dazu gehört zunächst allerdings die große Herausforderung, erst einmal wieder zu fühlen und zu lernen, den eigenen Gefühlen zu vertrauen. Wenn wir die belastenden Gefühle in uns wirklich fühlen, werden sie zu Reiseführern der Seele. Fühlen bedeutet, dass man zunächst den Schmerz der Vergangenheit zulassen und wahrnehmen muss. Es ist hilfreich, dies unter professionellen Begleitung einer Psychotherapie zu machen.

Wege aus der destruktiven Beziehungsdynamik

Betroffene müssen zunächst herausfinden, was sie selbst wollen und was nicht. Und sie müssen lernen, Grenzen zu ziehen. Sie müssen lernen, zu erkennen: Was ist meins und was ist das der Mutter. Das ist oft so verwoben, dass Betroffene das gar nicht mehr unterscheiden können. Viele Betroffene haben auch als Erwachsene noch Probleme damit, ihre eigene Identität zu spüren und sich für sich selbst einzusetzen. Sie sind nicht gut darin, das Schöne des Lebens zu genießen. Für sie bedeutet Leben entweder, sich an andere anzupassen oder gegen sie zu rebellieren. (Beispielsweise über eine Essstörung).

Abgrenzung kann zu Problemen führen

Wenn es erwachsenen Kindern schließlich gelingt, sich von ihrer narzisstischen Mutter abzugrenzen, besteht das Risiko, dass die Beziehung endet. Es ist deshalb wichtig, die Betroffenen darüber aufzuklären, dass sich im Verhältnis zur Mutter etwas verändert, wenn sie ihre eigene Entwicklung in den Fokus rücken. Denn nicht jede Mutter ist bereit, sich dem Veränderungsprozess des Kindes anzupassen. Die Betroffenen müssen am Ende entscheiden, wer ihnen wichtiger ist: die Mutter oder sie selbst. Betroffene (erwachsene) Kinder müssen wissen, dass sie ein Risiko eingehen, wenn sie sich für sich entscheiden. Fürs Erste kann es hilfreich sein, den Kontakt zu reduzieren oder eine Pause einzulegen. Auch ein aktiver Kontaktabbruch ist nicht ausgeschlossen und mitunter die einzige Lösung.

Hören Sie auf, sich als Opfer zu sehen

Solange Sie sich selbst als Opfer betrachten, werden Sie sich unbewusst weiter in narzisstischen Verhaltungsmustern bewegen und diese verstärken. Auch wenn es stimmt, dass unsere Erfahrungen uns prägen und einen großen Einfluss darauf haben, wie unsere Gegenwart gestaltet ist, liegt es ganz an uns, wie wir unsere Identität auf der Grundlage unserer Vergangenheit definieren. Statt uns als Opfer von Narzissmus zu betrachten, sollten wir uns als Zielpersonen von Narzissmus verstehen. Ein Opfer ist machtlos. Eine Zielperson ist von etwas betroffen, kann aber immer noch entscheiden, wie sie damit umgeht. Die Wahrheit ist: Aus dem einen oder anderen Grund befinden Sie sich auf dem „Radar“ von Narzissten. Das kann jedem Menschen passieren, sei es durch Geburt oder durch unglückliche Lebensereignisse. In dem Augenblick, in dem Sie sich der zerstörerischen Auswirkungen des Narzissmus bewusstwerden und sich vor Augen führen, wie schädlich er für Ihr Leben gewesen ist, gewinnen Sie eine entscheidende Macht zurück: Die Macht der Wahl. Sie können sich entscheiden, weiterhin in den Konditionierungen Ihrer Vergangenheit zu leben, oder Sie können beschließen, Ihre alten Erfahrungen und Prägungen mit neuen, bewusst gewählten zu „überschreiben“, um so auf eine bessere Zukunft hinzuarbeiten. Worauf ein Mensch seine Identität basiert, ist enorm wichtig. Ein Etikett wie „Opfer“ anzunehmen ist eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, die Sie nur tiefer in das Problem verstrickt. Sie müssen also eine Entscheidung treffen: Werden Sie ein machtloses Opfer sein oder eine Zielperson, die erkennt, was vor sich geht und die sich weigert, sich manipulieren zu lassen?

Schaffen Sie sich einen Raum, in den narzisstischer Missbrauch nicht eindringen kann

Der Weg zur Genesung kann lang, schmerzhaft und frustrierend sein. Narzissten konzentrieren ihre Manipulation bewusst darauf, Ihnen Ihr höchstes Gut wegzunehmen: Ihren Freiraum. Wir alle brauchen „Raum“, um uns als Menschen zu entfalten. Dies umfasst physischen Raum, in dem wir uns sicher fühlen können, ebenso wie psychologischen Raum, in dem wir denken und klare Entscheidungen treffen können, und emotionalen Raum, in dem wir eine tiefgehende Verbindung mit unseren wahren Selbst herstellen können. Der Narzisst versucht, Ihnen all diese Räume zu nehmen. Er sät Zweifel in Ihnen, damit Sie sich ständig hinterfragen. Er programmiert Ihre Identität neu, überwältigt Ihre Sinne und verzehrt Sie von innen heraus. Ein Narzisst zielt darauf ab, Ihnen das wegzunehmen, was Sie zu „Ihnen selbst“ macht. Ihre Herausforderung besteht darin, den Raum, der Ihnen genommen wurde, wiederherzustellen. Möglicherweise müssen Sie überhaupt erst wieder ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass Ihnen etwas fehlt. Der Raum, den Sie sich schaffen sollten, kann physisch oder in Ihrem Inneren existieren.

Einige Beispiele, wie Sie sich Freiräume schaffen können, sind:

  • Allein sein

    Narzissten wollen, dass Sie sich alleine einsam fühlen. Sie sollen das Gefühl entwickeln, dass Sie den Narzissten brauchen, um eine vollwertige Person zu sein. Das Gegengift besteht darin, bewusst das Alleinsein zu suchen und sich daran zu gewöhnen. Gehen Sie im Park spazieren, um in Ruhe nachzudenken. Setzten Sie sich in ein Café, um dort einen Kaffee oder Tee zu trinken und zu lesen. Schaffen Sie sich einen „heiligen“ Ort, an dem Sie in Ruhe sitzen und nachdenken können. Die Idee ist, den Rückzug zur Gewohnheit zu machen. In diesem physischen Raum können Sie sich selbst die Erlaubnis erteilen, zu fühlen und zu denken, ohne dass jemand ihre Gedanken und Emotionen für sie interpretiert und definiert. Durch das Alleinsein werden Sie sich selbst von Angesicht zu Angesicht begegnen. Anfangs kann dies eine erschütternde Erfahrung sein. Das Alleinsein ist jedoch auch eine Chance für einen persönlichen „Reset“, um wieder eine Verbindung mit sich selbst und ein Gefühl von „Ich“ herzustellen, das niemanden sonst einschließt. Es ist eine Gelegenheit, sich zu „erinnern“, wer man ist.

  • ärztliche oder psychotherapeutische Unterstützung

    Ein/e Therapeut/in kann Ihnen einen sicheren Raum bieten, in dem Sie Ihre Emotionen und Zweifel erforschen können. Er oder Sie bietet Ihnen einen objektiven Spiegel und ermöglicht Ihnen, Ihre geistige Gesundheit und Ihre Orientierung in der Wirklichkeit zurückzuerlangen, auch wenn sich der Narzisst alle Mühe gibt, beide zu zerstören. Narzisstischer Missbrauch funktioniert, indem er durch permanente und rücksichtslose Manipulation selbst die kleinsten Lücken in Ihrem Geist ausfüllt, bis er Ihre Realität ganz eingenommen hat. Eine Therapie ist dagegen ein wirksames Mittel, weil sie die vom Narzissten kreierte Realität in Frage stellt und ermöglicht, dass wieder „echte“, nicht fabrizierte Einsichten und Emotionen zu Ihnen durchdringen. Außerdem erlaubt sie Ihnen, zu erkennen, wie Sie selbst bei der narzisstischen Manipulation „mithelfen.“ Nicht nur der Narzisst manipuliert seine Zielperson, sondern auch die Zielperson selbst trägt ihren Teil bei, indem Sie sich in Illusionen und Selbsttäuschungen flüchtet, da ihr diese erst erlauben, die Situation zu ertragen. Phantasie und Selbsttäuschung sind natürliche Abwehrmechanismen, die ihre Existenzberechtigung haben. Wenn Sie jedoch versuchen, sich von narzisstischem Missbrauch zu heilen, können Ihnen diese Reaktionen in die Quere kommen. Ein/e gute/r Therapeut/in wird Sie auf sanfte Art dazu bringen, Ihre schädlichen Wahnvorstellungen zu hinterfragen. Er wird Sie herausfordern und ermutigen, Verantwortung für Ihre Emotionen und für Ihre Lebenssituationen zu übernehmen. Ein weiterer Vorteil daran, einen professionellen Begleiter auf dem Weg aus dem Narzissmus dabeizuhaben, ist, dass man alleine manchmal unterwegs den Mut verlieren kann. Narzisstischer Missbrauch hinterlässt dauerhafte Schäden im Selbstwertgefühl von Betroffenen, was dazu führen kann, dass man auf dem Weg der Heilung plötzlich den Mut und die Energie verliert, wenn man es am wenigsten erwartet. Narzisstischer Missbrauch kreiert eine ganze Reihe von Überzeugungen und Mustern in Ihrem Inneren, die noch lange nach dem Verschwinden des Narzissten fortbestehen können. Der Besuch in der Praxis kann daher eine ausgezeichnete Möglichkeit sein, um schädliche Prägungen zu durchbrechen und Sie wieder auf den richtigen Weg zu bringen.

  • Meditation und Achtsamkeit

    Halten Sie einen Moment lang inne. Atmen Sie tief durch und konzentrieren Sie sich auf Ihren Körper. Üben Sie diese Praxis regelmäßig. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Empfindungen und Emotionen. Ihr „denkender“ Verstand wird versuchen, sich wieder in den Fokus Ihrer Aufmerksamkeit zu drängen, doch wenn Sie die Ausdauer und den Mut aufbringen, Ihre ablenkenden Gedanken hinter sich zu lassen, können Sie in der Meditation einen inneren Raum voller Frieden finden. In der Meditation gibt es kein festes Ziel; das Mittel ist der Zweck. Es dauert eine Weile, dieses Paradoxon zu begreifen, doch sobald Sie sich die Meditation zur Gewohnheit gemacht haben, wird das Bild klarer werden. Sie werden erkennen, dass zwischen Ihren Gedanken und Ihrem Selbst ein Unterschied besteht. Sie „sind“ nicht Ihre Gedanken und Gefühle. Meditation bieten den Ansatz, um diese „Lücke“ zu öffnen, damit Sie sie selbst erleben können. Ihr Geist und Ihr Verstand sind Bereiche, in denen der Narzisst versucht, Sie zu beherrschen. Wenn Sie sich daher zu sehr mit ihnen identifizieren, machen Sie sich dadurch äußerst anfällig für Manipulation. Indem Sie Achtsamkeit praktizieren, erhöhen Sie Ihr Bewusstsein, und indem Sie Ihr Bewusstsein erhöhen, gewinnen Sie die Macht, narzisstischen Missbrauch zu erkennen und zu bekämpfen.

Es gibt auch Hindernisse und Schwierigkeiten bei der Überwindung narzisstischer Beziehungsstrukturen. Darunter zählen Hunger nach Liebe und Anerkennung; Gedankenkontrolle und v.a. Schuldgefühle. Bei jedem der genannten Hindernisse ist die grundsätzliche Philosophie einfach: Machen Sie sich bewusst, dass Sie die Emotion empfinden, aber nicht die Emotion sind. Nehmen Sie die Regung wahr, machen Sie sich bewusst, was vor sich geht, hinterfragen Sie gegebenenfalls, ob die Emotion angebracht ist und bewegen Sie sich dann weiter vorwärts auf dem Weg zur Heilung. 

Wir alle haben ein angeborenes Bedürfnis zu lieben und geliebt zu werden. Narzisstischer Missbrauch erfüllt dieses Bedürfnis nicht, sondern lässt uns permanent in einem „liebeshungrigen“ Zustand zurück, da wir vom Narzissten nicht bekommen, was wir wirklich brauchen. Selbst wenn Sie sich körperlich von einem Narzissten befreit haben, bedarf es konsequenter und bedachter Fürsorge, um diesen Hunger zu stillen und Sie wieder in ein emotionales Gleichgewicht zu bringen. Sie können das Bedürfnis nicht einfach „abschalten“. Narzissten erkennen diesen Hunger in anderen Menschen schon von weitem und nutzen ihn aus, um sie zu manipulieren. Sie entwickeln dadurch eine Anziehungskraft auf Zielpersonen, die deren Urteilsvermögen trübt und der sie nur schwer widerstehen können. Dies kann dazu führen, dass die Zielperson ihre eigenen Bedürfnisse verleugnet und unwissentlich falsche Entscheidungen trifft.

Narzisstischer Missbrauch ist eine Form der Gehirnwäsche. Um Sie zu kontrollieren, wird ein Narzisst so lange unerbittlich Ihren Verstand angreifen, bis Sie eine verzerrte Realitätswahrnehmung entwickelt haben. Der Narzisst zersetzt Ihr Denken, in dem er übe Sie urteilt, indem er Sie dazu bringt, sich und Ihre Lebensentscheidungen zu hinterfragen, und indem er Sie direkt belügt und mit falscher Propaganda darüber „füttert“, wie großartig er angeblich ist. Der Narzisst bringt Sie dazu, Dinge zu glauben, die nicht wahr sind. Sobald Sie als Zielperson eine verzerrte Realitätswahrnehmung entwickelt haben, werden Sie nicht mehr wissen, wie Sie jemals etwas an Ihrem Leben ändern sollen. Doch Ihre Realität ist Ihre Realität. Sie haben die Kontrolle über Ihren Verstand. Gute Freunde zu haben, denen man Fragen stellen kann, und einen guten Therapeuten zu haben, ist daher von größter Wichtigkeit.

Schuld ist das permanente, unangenehme Gefühl, das rund um die Uhr an Ihnen nagt. Sie ist wie ein Tritt in die Eingeweide, jedes Mal, wenn Sie etwas tun, sagen oder auch nur denken. Sie ist das Resultat eines Lebens unter narzisstischem Missbrauch. Der Narzisst nährt Ihre Schuldgefühle, indem er Sie jedes Mal, wenn Sie sich nicht so verhalten, wie er es wünscht, an all die „Opfer“ erinnert, die er angeblich für Sie gebracht hat, auch wenn Sie diese nie von ihm verlangt oder erwartet haben. Wenn er Sie beispielsweise zum Abendessen einlädt und Sie es nicht schaffen können, aber trotzdem fragen, wer sonst noch kommt, und der Narzisst Ihnen daraufhin sagt: „Nun, du schon mal nicht, so viel wissen wir ja jetzt“, hinterfragt er damit Ihre Loyalität ihm gegenüber, damit Sie sich schuldig fühlen. Die hohen und streng durchgesetzten Erwartungen des Narzissten an Sie schaffen zahlreiche „Kollisionspunkte“, an denen Sie ständig reiben, sodass in Ihnen Schuldgefühle entstehen. Der Narzisst verschafft Ihnen damit ständig das Gefühl, dass Sie ihn immer wieder im Stich lassen. Wird man solchen Situationen regelmäßig ausgesetzt, entwickelt man irgendwann „gewohnheitsmäßige“, Schuldgefühle, die zu einem Leitmotiv Ihres Lebens werden können und sämtliche Ihrer Entscheidungen begleiten.

Wichtig: Sich professionelle Unterstützung holen!

Um aus einer so tiefgreifenden und schwerwiegend destruktiven Beziehungsdynamik zu entkommen bzw. die daraus entstandenen Folgen zu überwinden, ist unbedingt professionelle Hilfe erforderlich. Scheuen Sie sich also nicht, eine ärztliche oder psychotherapeutische Unterstützung einzufordern! Wie das geht, erfahren sie > HIER < .